„Was muss eine Connected Car-Plattform künftig leisten?“

Andreas Peters / Plattformentwicklung und -integration


Andreas Peters ist Mathematiker und Geschäftsführer von Valtech Mobility, die sich zu einem zentralen Player der Digitalisierungsstrategie von VW entwickelt hat. Im Fokus steht auch die markenübergreifende Plattform – mit welchen Herausforderungen man bald konfrontiert ist, hat er in einem Ausblick zusammengefasst.

In der Digitalisierung der Automobilindustrie spielt die Entwicklung neuer Fahrzeugbetriebssysteme heute eine zentrale Rolle. Von der Idee her sollen möglichst viele der im Fahrzeug verbauten Steuergeräte durch wenige leistungsstarke Rechner ersetzt und über Softwarefunktionen simuliert werden.

Diese In-Car-Rechner werden dann über eine cloudbasierte Connected Vehicle-Plattform administriert und mit Software- bzw. Datenpaketen versorgt. Die Plattform stellt somit das zentrale Gateway des Fahrzeugs zur Außenwelt dar.

Die Automobilhersteller erhoffen sich mit dieser Lösungsarchitektur nichts Geringeres als ihre Fahrzeuge zukunftssicher für das digitale Zeitalter zu gestalten und darüber hinaus eine Basis für die Implementierung aufkommender Mobilitätskonzepte zu erhalten.

Valtech berät seit mehr als zwanzig Jahren OEMs in der Konzeption, dem Design und der Umsetzung von Connected Car-Lösungen. 2018 wurde Valtech Mobility als Joint Venture der Internetagentur Valtech und dem VW-Konzern gegründet, um dort die tiefgreifende Erfahrung, die Valtech im Aufbau und dem weltweiten Rollout einer der umfangreichsten Connected Vehicle-Plattformen der Branche besaß, zu bündeln.

Heute stellt sich die Frage, was muss eine Connected Vehicle-Plattform im Zusammenspiel mit dem Fahrzeugbetriebssystem zukünftig eigentlich leisten?

Zunächst einmal muss sie eine Anzahl von Schlüsselfunktionen bereitstellen, die eine Art Basis für viele Online- und Mobilitätsdienste bilden.

Hierzu gehört u.a. die Fähigkeit, Software in Fahrzeugen over-the-air (OTA) aktualisieren zu können. OTA wurde zwar schon 2012 von Tesla eingeführt, ist aber längst noch kein Standard in der Automobilindustrie. Doch die anderen OEMs holen auf. So hat BMW erst kürzlich sein Operating System für Infotainment und Navigation in einer halben Million Fahrzeuge over-the-air aktualisiert.
Function-on-Demand (FoD) ist eine weitere solche Basisfunktionalität. Sie umschreibt die Fähigkeit, Funktionen im Fahrzeug remote freischalten zu können und ist damit ein mächtiger Enabler im Aftersales- und Servicebereich.

Mit der wachsenden Verbreitung von Mobility-as-a-Service (Maas)-Dienstleistungen, wie z.B. Ride Hailing- oder Car Sharing-Angebote, steigt auch der Bedarf von Flottenfunktionalitäten innerhalb der Plattform. Hierzu gehören u.a. Basis-Features wie z.B. das CarKey von Apple, welches aktuell von BMW implementiert wird und das Auf- und Abschließen sowie Starten von Fahrzeugen über iPhones ermöglicht. Darüber hinaus haben Predictive Maintenance-Szenarien sowie Flotten-Algorithmen, die z.B. Wartezeiten minimieren, Kundenbedürfnisse prognostizieren oder Auslastungen optimieren, einen erheblichen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit von Flotten.

Die Bereitstellung von Fahrzeugdaten ist eine weitere zentrale Aufgabe der Connected Vehicle-Plattform. Startups wie Otonomo oder Caruso bieten hierfür erste interessante, OEM übergreifende B2B-Marktplätze an. Es gibt schon heute eine Vielzahl datenbasierter Anwendungsfälle, wie z.B. das Realtime Monitoring einzelner Fahrzeugkomponenten aus Produkthaftungs- oder Marktzulassungsgründen, der Bedarf einer digitalen Hauptuntersuchung für Fahrzeugassistenzsysteme, verkehrsflussbasierte Scoring Systeme für Versicherungstarife oder Produktverbesserungen auf Basis von Nutzungsdaten, was z.B. Tesla über seinem Shadow Mode im Bereich des automatisierten Fahren realisiert.

Aus OEM-Sicht stellt sich heute grundsätzlich die Frage, welche der Funktionalitäten sie zukünftig In-House oder durch Partner entwickeln wollen und in welchen Bereichen sie auf Branchenlösungen zurückgreifen werden.

Ein USP von Tesla ist die vertikale Integration. Viele der wesentlichen Entwicklungen im Bereich der Software, der Chips, der Platinen oder der Batterien (inklusive Lademanagement) werden heute dort In-House erbracht. Dennoch ist fraglich, ob dies auch in Zukunft überall so bleibt. Der Innovationsdruck in den einzelnen Gebieten ist enorm. Allein im Bereich des autonomen Fahrens wird man sich mit Firmen wie Waymo oder der kürzlich geschlossenen Kooperation zwischen Mercedes-Benz und Nvidia oder mit Startups wie Recogni messen müssen.

Volvo Car fährt einen anderen Ansatz. Mit dem Polestar 2 und Volvo XC40 sind heute zwei Modelle verfügbar, welche Android Auto OS tief ins Fahrzeug integriert haben. Damit gibt Volvo Car zwar teilweise ihre Kundenhoheit im Infotainment und Navigationsbereich aus der Hand, kann aber im Gegenzug Google Maps, Google Assistant und den App Store im vollen Umfang nutzen. Es bleibt abzuwarten, ob dieses ein erfolgreiches Beispiel für eine nachhaltige, vertikale Integration zwischen einem Automobilhersteller und Google wird.

Der Volkswagenkonzern verfolgt einen interessanten dritten Weg. Mit der Entwicklung der beiden modularen E-Antriebsbaukästen, PPE für Premium- und MEB für Volumenmarken, hat sich der Konzern entschieden eine neue fahrzeugseitige End2End-Elektronik-Architektur namens „E hoch 3“ mit einem dazu passenden Betriebssystem „vw.OS“ einzuführen. Dem vw.OS steht im Backend die VW Automotive Cloud als neue, auf Microsoft-Technologien basierende Connected Vehicle-Plattform gegenüber.
Mit diesem Vorgehen verfolgt der Volkswagen gleich zwei Ziele. Zum einen wird das erfolgreiche Baukastenprinzip auf den Elektromobilitätsbereich ausgeweitet und zum anderen wird durch die In-House-Entwicklung des vw.OS und der VW Automotive Cloud, in Kooperation mit Microsoft und unter Nutzung der Valtech Mobility Expertise, die Eigenleistung im Konzern signifikant erhöht.

Insgesamt bleiben die Entwicklungen im Bereich des vernetzenden Fahrzeugs äußerst dynamisch. Vor dem Erfahrungshintergrund ca. zehn OEMs über eine Connected Car-Plattform integriert zu haben und dabei mehr als fünfzig Kundenfunktionen, in diversen Markt- und Markenvarianten, in über sechzig Ländern, in einer hohen dreistelligen Anzahl von SOPs ausgerollt zu haben, sieht sich Valtech Mobility jedoch für die Zukunft und deren Veränderungen gut aufgestellt. Wir freuen uns auf das was kommt.

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