„Die Energie kommt gratis von der Sonne - und das ausreichend.“

Jens Wolf / E-Mobility


Für Jens Wolf ist die Verflechtung von Elektromobilität und Photovoltaik nicht nur eine Option, sondern ein Muss für die Zukunft. Warum, erklärt er im Interview.

Wie bist du zu dem Thema gekommen?

Es hat sich inzwischen herumgesprochen, dass die Weltbevölkerung eine disruptive Energiewende vollziehen muss, um die Klimaschutzziele zur Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs zu erreichen. Der Verkehrssektor kann mit etwa 1/3 der Treibhausgasproduktion einen wesentlichen Beitrag dazu leisten. Die Technologien dafür sind verfügbar. Der Markt und die Nutzer müssen sich nur darauf einlassen.

Warum tun sie das noch nicht?

Immer wieder auftauchende Argumente sind die hohen Anschaffungskosten, die fehlende Abdeckung durch Ladesäulen und die geringen Reichweiten. Ab 2020 werden auch bei den etablierten Automarken erschwingliche Fahrzeuge mit über 400 km Reichweite am Markt verfügbar sein. Aber auch neue Akteure drängen auf den Markt, um Elektrofahrzeuge im unteren Preissegment anzubieten. Das Aufladen an einer Hochleistungsladesäule wird in 30-40 Minuten möglich sein. Damit können – unter Berücksichtigung einer km-Reserve – Reichweiten von knapp 800 km mit einer einzigen Aufladepause erreicht werden. Dies wird für 99% aller Fahrten ausreichen.

Wirklich?

In Deutschland fährt der Gesamtbestand an Fahrzeugen im Durchschnitt 1h pro Tag und legt dabei gemittelt eine Strecke von 36 km pro Fahrzeug zurück. Während der verbleibenden 23 Stunden eines Tages steht das Fahrzeug statistisch gesehen ungenutzt zur Verfügung, um mit dem Tagesverbrauch von 6,2 kWh elektrischer Energie geladen zu werden. Das sind übrigens nicht einmal 300 W gemittelte Dauerleistung. Im Gegensatz zu dem unerwünschten Szenario, bei dem alle E-Fahrzeugbesitzer ihre Fahrzeuge von 18-20 Uhr mit 22 kW aufladen, würde das deutsche Stromnetz so die Gesamtladeleistung aller Elektrofahrzeuge bei intelligenter Bedarfssteuerung locker verkraften. Voraussetzung hierfür ist natürlich ein ausreichendes Angebot an (Wechselstrom-) Ladepunkten in jedem Straßenblock, beim Arbeitgeber, im Einkaufszentrum und zu Hause. Die IT wird hier gebraucht, um das Netz- und Lademanagement zu optimieren. Was derzeit neben dem überall verfügbaren Zugang zu elektrischer Energie aber auch fehlt, ist die flächendeckende Bereitschaft der Nutzer, sich auf einen anderen Umgang mit der individuellen Mobilität einzustellen.

Was genau heißt das?

Eine Ladeplanung für längere Fahrten ist häufig unerlässlich und wird auch bei dichterem Ladestationsnetz niemals ganz zu vermeiden sein: man lädt das Fahrzeug z.B. immer, wenn man kann (z.B. zu Hause oder am Arbeitsplatz) und nicht erst, wenn man muss. Und die gefahrene Geschwindigkeit hat einen wesentlichen höheren Einfluss auf die Reichweite als beim Verbrenner – dies erfordert also die Bereitschaft, eine hohe Geschwindigkeit gegen weniger Ladestopps abzuwägen. Zudem sind auch in technologischer Hinsicht noch Hausaufgaben zu machen, insbesondere wenn es um die Kapazität der Batterien geht.

Wieviel Fortschritt ist in diesem Bereich kurz- bis mittelfristig zu erwarten?

Die Verwendung größerer Batterien ist davon abhängig, dass es der Forschung gelingt, eine signifikante Erhöhung der Leistungsdichte zu erreichen. Denn es macht keinen Sinn, an 363 Tagen eine tonnenschwere Batterie nur im lokalen Umfeld durch die Gegend zu fahren, um einmal im Jahr in den Urlaub zu fahren. Elektrischer Strom ist jedoch die edelste Form von Energie: Strom lässt sich mit sehr guten Wirkungsgraden in mechanische Energie (z.B. Bewegung) und zurück umwandeln. Die Umwandlung in chemische Energie (z.B. Wasserstoff, Batterien) gelingt mit geringeren, aber ausreichenden Wirkungsgraden. In thermische Energie lässt sich Elektrizität ebenfalls sehr verlustfrei wandeln – der Weg zurück ist dagegen äußerst verlustbehaftet.

Da der tatsächliche ökologische Fußabdruck von E-Mobilität derzeit kontrovers diskutiert wird: Wie „sauber“ ist sie wirklich?

Die für die Elektromobilität verwendete elektrische Energie ist immer nur so sauber wie die Primärenergie, aus der der Strom gewonnen wird. Daher fährt ein Elektrofahrzeug nur dann CO2-neutral, wenn der Strom nicht aus fossilen Rohstoffen gewonnen wird. Ansonsten liegt die Bilanz wegen der Umwandlungsverluste ggf. sogar schlechter als beim Verbrennungsmotor. Wird die Batterie jedoch mit Strom aus Sonnenenergie, Wind- oder Wasserkraft geladen, ist die Ökobilanz gut. Im Gegensatz zum Verbrennungsmotor entscheidet der Nutzer durch die Wahl der Energiequelle, wieviel CO2 er verursacht. Jetzt müssten nur noch die Batteriehersteller auf nachhaltige Gewinnung der Rohstoffe und treibhausgasneutrale Produktion achten, damit der ökologische Rucksack bei der Fahrzeugauslieferung klein bleibt.

Wie steht es mit Wasserstoff?

Wasserstoff ergänzt als chemischer Energieträger die Elektromobilität. Als „eingebaute Ladesäule“ kann eine Brennstoffzelle die Traktionsbatterie während der Fahrt laden. Reichweiten von 1000 km werden damit bei relativ geringem Zusatzgewicht möglich. Modelle mit Wasserstoff-Brennstoffzelle kommen derzeit auf den Markt und auch im Bereich von Wohngebäuden sind erste Anlagen zur Gewinnung, Speicherung und Rückverstromung von Wasserstoff als Serienprodukt verfügbar. So lässt sich Energie unterjährig speichern oder als Treibstoff für Wasserstoff-Brennstoffzellen-Fahrzeuge verwenden.

Du hast auch Sonnenenergie erwähnt. Kann das, insbesondere in unseren Gefilden, ein echter Faktor werden?

Die gute Nachricht ist, dass jeden Tag mehr als tausendmal so viel Energie auf die Erdoberfläche auftrifft wie verbraucht wird. Es liegt an uns, sie zu nutzen. Inzwischen ist der Anschaffungspreis von Photovoltaikmodulen so weit gefallen, dass der erzeugte Strom unter bestimmten Bedingungen sogar mit dem Spotmarktpreis elektrischer Energie an der EEX konkurrenzfähig ist und ohne Subventionen auskommt. Für die Energiewende benötigen wir in Deutschland jedoch doppelt so viel installierte PV-Leistung, wie aktuell vorhanden ist und 30-50% mehr Windkraft. Warum hat nicht jedes Haus eine PV-Anlage? Je nach Gegebenheiten können PV-Anlagen mit einer Leistung ab 15 kWp auf dem Hausdach den Jahresbedarf an Haushaltsstrom, Fahrstrom und Wärmepumpenenergie bilanziell decken. Da das Haus im Jahresverlauf mehr Energie produziert als verbracht wird, ist der Primärenergiebedarf dann negativ. Die Energie kommt gratis von der Sonne – und das ausreichend. Die Frage ist nur, was man mit der ganzen Energie macht, wenn der eigene Stromspeicher vollgeladen ist, die Wäsche gewaschen und das Mittagessen gekocht ist.

Was spricht gegen die kommerzielle Rückeinspeisung?

Da die Einspeisevergütung stetig abnimmt, ist zu erwarten, dass zukünftig nur noch geringe Erlöse aus der Einspeisung von Energie erwirtschaftet werden und im Haus nicht mehr verwertbare erneuerbare Energie dann zumindest zeitweise anders vermarktet werden sollte. Die großen Energiekonzerne haben aktuell kein Interesse an einer Verwertung dieser überschüssigen Energiemengen z.B. durch Elektrolyse, da sie die Rentabilität ihrer verbleibenden Kohlemeiler nicht vermindern wollen.

Gibt es diesbezüglich Lösungsansätze?

Mit zunehmender Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen ergeben sich neue potenzielle Abnehmer für diese Strommengen (die meisten Fahrzeuge stehen ohnehin mittags herum). Daher wäre es sinnvoll, z.B. über Community-Projekte die Anbieter von überschüssiger elektrischer Energie mit den Bedarfsträgern zusammen zu bringen. Dies würde nicht nur das elektrische Fahren grüner machen, sondern auch einen neuen Markt zwischen den Akteuren schaffen. Es braucht hierzu nur etwas intelligente Ladeinfrastruktur in Verbindung mit einer IT-Lösung zur Steuerung und Abrechnung.

Es bleibt zu hoffen, dass sich solche dezentralen Konzepte mit zunehmender Verbreitung von Elektrofahrzeugen am Markt durchsetzen und dass die Gesetzgebung, die ja aktuell die großen Versorger und Netzbetreiber als systemrelevante Einrichtungen privilegiert, die juristischen Hürden für die Eigenvermarktung von Strom abbaut.

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